Die Politik der Europäischen Union („EU“) im Rahmen des „European Green Deal“ hat neben dem Umweltschutz auch tiefgreifende Auswirkungen auf das internationale Handelsrecht. Für ein klimaneutrales Europa bis 2050 erlegt dieser strategische Rahmen internationalen Unternehmen neue rechtliche und finanzielle Verpflichtungen auf.
Im Rahmen der Green-Deal-Strategie verändert der EU-Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzen (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM“) die Bedingungen für den Zugang zum EU-Markt für Exporteure, die in kohlenstoffintensiven Sektoren wie Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel, Wasserstoff und Elektrizität tätig sind. Der Mechanismus sieht ein zertifikatsbasiertes Preissystem für die Kohlenstoffemissionen vor, die in diesen Sektoren bei der Herstellung von in die EU importierten Waren entstehen. Dementsprechend werden die Importeure ab 2026 verpflichtet sein, CBAM-Zertifikate zu kaufen, die dem Kohlenstoffgehalt ihrer Produkte entsprechen.
CBAM betrifft nicht nur das öffentliche Recht und die Umweltpolitik, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf privatrechtliche Beziehungen, den internationalen Handel und das Investitionsrecht. Zum Beispiel:
- Exporteure und Importeure können Schwierigkeiten bei der Vertragserfüllung, bei Anpassungsansprüchen, bei der Vertragskündigung oder bei Haftungsstreitigkeiten bekommen, wenn sie ihre finanziellen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kohlenstoffgehalt nicht eindeutig in internationalen Kaufverträgen festlegen.
- Andererseits kann behauptet werden, dass die durch die Kohlenstoffvorschriften auferlegten Verpflichtungen die Erwartungen ausländischer Investoren an die Rechtssicherheit untergraben. Im Hinblick auf die grundlegenden Prinzipien des internationalen Investitionsrechts, wie faire und gerechte Behandlung, vollständiger Schutz und Sicherheit sowie das Verbot indirekter Enteignung, können Regelungen wie die CBAM in Investor-Staat-Streitigkeiten geltend gemacht werden.
- Im Zusammenhang mit kohlenstoffbezogenen Verpflichtungen gibt es auch eine bedeutende rechtliche Debatte darüber, wie ein Gleichgewicht zwischen legitimen öffentlichen Umweltschutzmaßnahmen und den vertraglichen und verbrieften Rechten des Investors hergestellt werden kann. Obwohl viele bilaterale Investitionsabkommen („BITs“) Umweltschutzmaßnahmen als Ausnahme vorsehen, ist klar, dass solche Maßnahmen zu internationalen Schiedsverfahren führen können, wenn sie willkürlich, diskriminierend oder unverhältnismäßig angewendet werden.
In der Türkei sind die Exporteure mit einer asymmetrischen Kostenstruktur konfrontiert, da das Land noch keinen Mechanismus zur Bepreisung von Kohlenstoff in Übereinstimmung mit der EU eingeführt hat. Diese Situation untergräbt sowohl die rechtliche Vorhersehbarkeit als auch die Vertragssicherheit. Bei der Integration von Compliance-Verpflichtungen in das türkische Handels- und Steuerrecht kann die mangelnde Klarheit über Verwaltungssanktionen und Umweltberichterstattungspflichten zu Unsicherheiten in Bezug auf die Haftung und zu einem Zögern bei Transaktionen führen. Angesichts dieser vielschichtigen Risikostruktur haben die Unternehmen keine andere Wahl, als Strategien zur Einhaltung der Rechtsvorschriften zu entwickeln. Zunächst müssen sie ihre Verträge im Hinblick auf Kohlenstoffkosten, Grenzausgleichsrisiken und Umweltvorschriften überarbeiten. Daher sollten Kohlenstoff- und Umweltklauseln, die die Haftung der Parteien klar abgrenzen, zu wichtigen Bestandteilen künftiger Verträge werden. Zweitens sollten Unternehmen im Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit bei Fusionen, Übernahmen oder Direktinvestitionen eine rechtliche Überprüfung der ESG-Kriterien vornehmen. Bei diesen Prozessen müssen der Kohlenstoff-Fußabdruck, Emissionsüberwachungssysteme und öffentliche Umweltverpflichtungen überprüft werden. Drittens sollten die Streitbeilegungsprotokolle für Streitigkeiten, die sich aus Umweltvorschriften ergeben, im Hinblick auf das geltende Recht und das zuständige Schiedszentrum neu strukturiert werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Europäische Green Deal nicht nur eine Umweltpolitik ist, sondern auch einen normativen Paradigmenwechsel darstellt, der eine strukturelle Veränderung des internationalen Handels mit sich bringt. Mit Verordnungen wie der CBAM erleben wir eine neue Ära, in der das internationale Handelsrecht nicht nur in Bezug auf Zölle, Ursprungsregeln und technische Normen, sondern auch in Bezug auf Kohlenstoffvorschriften und Umweltauflagen neu definiert wird. Da Unternehmen, die sich nicht an diese neue Ära anpassen, sowohl mit finanziellen als auch mit rechtlichen Sanktionen rechnen müssen, stellt dieser Wandel einen Bereich dar, in dem die Nachhaltigkeit des internationalen Handels zusammen mit dem Umweltrecht reformiert werden muss.
Dila Yıldırım, Mitarbeiterin









