Vor-Ort-Untersuchungen sind in Artikel 15 des Gesetzes Nr. 4054 über den Schutz des Wettbewerbs („Gesetz Nr. 4054“) geregelt. Diese Untersuchungen dienen der Feststellung, dem Schutz und der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbsmarktes. Allein der Wettbewerbsrat („Rat“) ist befugt, Vor-Ort-Untersuchungen durchzuführen. Er nimmt solche Untersuchungen bei Unternehmen und Unternehmensvereinigungen vor, wenn er dies zur Erreichung der genannten Ziele für erforderlich hält. In diesem Zusammenhang ist der Rat berechtigt, sämtliche Daten und Dokumente zu prüfen, die in den physischen oder elektronischen Medien sowie in den Informationssystemen der Unternehmen aufbewahrt werden – einschließlich Geschäftsbüchern, Sitzungsprotokollen, Tagesordnungen, sämtlicher Dokumente in Bezug auf das Unternehmensvermögen, Firmencomputer und tragbare Geräte.
Vor-Ort-Untersuchungen können potenziell in die Grundrechte und -freiheiten von Unternehmen und deren Beschäftigten eingreifen. Daher stehen sie in engem Zusammenhang mit der Frage der unrechtmäßig erlangten Beweise. Das Konzept der „unrechtmäßig erlangten Beweise“ stützt sich auf Artikel 38 der Verfassung der Republik Türkiye Nr. 2709 („Verfassung“) mit dem Titel „Grundsätze im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen“. Der Titel des Artikels könnte den Eindruck erwecken, dass die Bestimmung ausschließlich auf gerichtliche Strafen Anwendung findet. Die Verfassungsbestimmungen sind jedoch grundlegende Rechtsnormen, die gemäß Artikel 11 der Verfassung auch für Verwaltungsbehörden verbindlich sind. Das Verfassungsgericht hat bereits entschieden, dass dieser Artikel auch im Verwaltungsrecht gilt. In einer einschlägigen Entscheidung führte das Gericht aus: „Da Artikel 38 der Verfassung nicht zwischen Verwaltungs- und Strafsanktionen unterscheidet, unterliegen auch Verwaltungsgeldbußen den in diesem Artikel festgelegten Grundsätzen.“ (Akte Nr. 2023/41, Entscheidung Nr. 2023/102) Daher ist der Artikel auch auf Verwaltungssanktionen anwendbar. Ebenso entschied das Verfassungsgericht in einem anderen Fall: „Absatz 7 von Artikel 38 der Verfassung, eingefügt durch Artikel 15 des Gesetzes Nr. 4709 vom 03.10.2001, bestimmt, dass ‚durch rechtswidrige Methoden erlangte Erkenntnisse nicht als Beweismittel gewertet werden dürfen‘. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Kassationshofs und des Staatsrats machte die beklagte Verwaltung geltend, dass im Disziplinarrecht rechtswidrig erlangte Beweise als gültig anerkannt werden könnten. Diese Bestimmung, die im zweiten Teil der Verfassung mit dem Titel ‚Grundrechte und -pflichten‘ enthalten ist, findet jedoch Anwendung sowohl im Straf-, Zivil- als auch im Verwaltungsrecht.“ (Antrag Nr. 2014/7738, 13.07.2016) Folglich ist klar, dass die Regelung, wonach „durch rechtswidrige Methoden erlangte Erkenntnisse nicht als Beweismittel gewertet werden dürfen“, auch im Verwaltungsrecht verbindlich ist. In der Lehre besteht weitgehend Einigkeit über diese Auffassung. Da Vor-Ort-Untersuchungen keine gerichtlichen Verfahren darstellen, ist ihre Einbeziehung in das Verbot unrechtmäßig erlangter Beweise umstritten. Gegen Entscheidungen des Rates kann jedoch verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden. Daher ist der Rat verpflichtet, dieses Prinzip bei der Durchführung seiner Vor-Ort-Untersuchungen zu beachten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verbot unrechtmäßig erlangter Beweise gemäß Artikel 38 der Verfassung — ungeachtet des Titels des Artikels — auch für Verwaltungssanktionen gilt, wie es sowohl aus der Lehre als auch aus den Entscheidungen des Verfassungsgerichts hervorgeht.
Zunächst muss der Rat die einschlägigen Vorschriften bei der Durchführung seiner Vor-Ort-Untersuchungen beachten. Andernfalls gelten die von ihm erhobenen Beweise als unrechtmäßig erlangt. Dies ist in erster Linie eine Voraussetzung des Rechtsstaatsprinzips.
Die Sachverständigen, die zur Durchführung einer Vor-Ort-Untersuchung in das Unternehmen entsandt werden, müssen über eine Autorisierungsurkunde verfügen, aus der ihre Personalien, die Bezeichnung und Anschrift des zu untersuchenden Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung sowie Gegenstand und Zweck der Untersuchung hervorgehen. Beweise, die im Rahmen einer Vor-Ort-Untersuchung ohne eine solche Autorisierungsurkunde erlangt werden, sind als unrechtmäßig erlangte Beweise anzusehen. Darüber hinaus dürfen die Sachverständigen nur solche Beweise erheben, die in einem Zusammenhang mit dem Gegenstand und dem Zweck der Untersuchung stehen. Beweise, die keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand haben oder nicht dem Untersuchungszweck dienen, können als unrechtmäßig erlangte Beweise bewertet werden. Unabhängig davon ist offensichtlich, dass der Hauptzweck des Verbots unrechtmäßig erlangter Beweise im Schutz der Grundrechte und -freiheiten des Einzelnen liegt. Während der Vor-Ort-Untersuchungen greifen bestimmte Maßnahmen in Grundrechte und -freiheiten der Unternehmen und ihrer Beschäftigten ein, insbesondere in das Recht auf Achtung des Privatlebens und in die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das Recht auf Achtung des Privatlebens ist in Artikel 20 der Verfassung geregelt, dessen erste zwei Absätze lauten:
„Jeder hat das Recht, Achtung seines Privat- und Familienlebens zu verlangen. Das Privat- und Familienleben darf nicht verletzt werden.
Sofern nicht durch richterliche Entscheidung aus einem oder mehreren der folgenden Gründe – nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung, Verhütung von Straftaten, Schutz der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Moral oder Schutz der Rechte und Freiheiten anderer – oder durch eine schriftliche Anordnung einer gesetzlich ermächtigten Behörde in Fällen, in denen Gefahr im Verzug ist, wiederum aus den vorgenannten Gründen, eine solche Maßnahme angeordnet wird, dürfen weder die Person, noch die privaten Schriftstücke, noch die persönlichen Gegenstände einer Person durchsucht oder beschlagnahmt werden. Die Entscheidung der zuständigen Behörde ist innerhalb von vierundzwanzig Stunden dem zuständigen Richter zur Genehmigung vorzulegen. Der Richter hat innerhalb von achtundvierzig Stunden nach der Beschlagnahme seine Entscheidung bekannt zu geben; andernfalls wird die Beschlagnahme automatisch aufgehoben.“
Es wird häufig geltend gemacht, dass diese verfassungsrechtliche Bestimmung bei den im Rahmen von Vor-Ort-Untersuchungen angewandten Verfahren nicht beachtet wird. Tatsächlich werden Vor-Ort-Untersuchungen, entgegen dieser Vorschrift, teilweise ohne richterliche Entscheidung durchgeführt, und nahezu sämtliche Unterlagen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter werden zu diesem Zweck überprüft. Unabhängig davon, ob sich diese Unterlagen in physischen oder elektronischen Medien oder in Informationssystemen befinden, fallen sie alle in den Prüfungsumfang. In diesem Zusammenhang kann auch die über Mobiltelefone, E-Mail-Anwendungen und Kommunikationsplattformen (Teams, Outlook, WhatsApp usw.) geführte Korrespondenz überprüft werden. Obwohl tragbare Kommunikationsgeräte zum persönlichen Gebrauch (Mobiltelefone, Tablets usw.) nur einer kurzen Einsicht unterzogen werden und solche Geräte, die keine unternehmensbezogenen Daten enthalten, vom Untersuchungsumfang ausgenommen sind, stellt dieses Vorgehen dennoch einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar.
Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts sind aufschlussreich, um diese umstrittene Situation zu verstehen.
Wie im Amtsblatt vom 30. März 2023 veröffentlicht, prüfte das Verfassungsgericht den Antrag auf Aufhebung der Formulierung „Kopien und physische Muster hiervon anzufertigen“, die am 16.06.2020 in Artikel 15 des Gesetzes Nr. 4054 geändert worden war, im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre und des Privatlebens. Der Antrag stützte sich auf die Begründung, dass die Formulierung gegen Artikel 20 der Verfassung verstoße, der lautet: „… sofern keine schriftliche Anordnung einer durch Gesetz ermächtigten Behörde vorliegt, dürfen weder die Person, noch die privaten Schriftstücke noch die persönlichen Gegenstände eines Individuums durchsucht oder beschlagnahmt werden. Die Entscheidung der zuständigen Behörde ist innerhalb von vierundzwanzig Stunden dem zuständigen Richter zur Genehmigung vorzulegen. Der Richter hat innerhalb von achtundvierzig Stunden nach der Beschlagnahme seine Entscheidung bekannt zu geben; andernfalls wird die Beschlagnahme automatisch aufgehoben.“ (Aktenzeichen 2020/67, Entscheidung 2022/139 vom 9.11.2022) Die Aufhebung der betreffenden Formulierung in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe (a) des Gesetzes Nr. 4054 wurde mit folgenden Argumenten beantragt: (i) sie ermögliche das Kopieren und Entnehmen von Mustern sämtlicher Unterlagen eines Unternehmens ohne jegliche Beschränkung, (ii) sie sehe keine Verpflichtung zur Anwesenheit eines Unternehmensvertreters während dieses Vorgangs vor, (iii) die Regelung, welche den Zugang zu den Daten eines Unternehmens über Geschäftsgeheimnisse und Kundenkreise gestatte, enthalte keine Schutzmechanismen für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, und (iv) diese Situation verstoße gegen das Prinzip der Rechtssicherheit und sei unverhältnismäßig. In diesem Zusammenhang verwies das Gericht zunächst auf Artikel 20 der Verfassung und stellte fest, dass personenbezogene Daten nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der betroffenen Person oder in den gesetzlich vorgesehenen Fällen verarbeitet werden dürfen. Anschließend stellte das Gericht fest, dass die dem Wettbewerbsrat verliehene Befugnis, deren Aufhebung beantragt worden war, in Bezug auf Gegenstand, Umfang und Grenzen klar und eindeutig sei und dass die Regelung dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit entspreche, da sie die Kriterien der Bestimmtheit, Zugänglichkeit und Vorhersehbarkeit erfülle. Neben der Prüfung der Gesetzmäßigkeit führte das Gericht auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch und kam zu dem Schluss, dass die Vor-Ort-Untersuchung verhältnismäßig sei, und zwar aus folgenden Gründen: (i) sie erfolge durch Vorlage von Dokumenten, (ii) der Rat verfüge nicht über Zwangsbefugnisse, (iii) Gesichtspunkte, zu denen den Parteien kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, dürften nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, (iv) der Rat unterliege den Pflichten des Gesetzes Nr. 6698 über den Schutz personenbezogener Daten („Gesetz Nr. 6698“) und
(v) besondere Kategorien personenbezogener Daten seien strengeren Bedingungen unterworfen. Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die fragliche Formulierung mit der Verfassung vereinbar ist. In dieser Entscheidung beurteilte das Gericht die betreffende Vorschrift, die dem Wettbewerbsrat die Befugnis zur Durchführung von Vor-Ort-Untersuchungen zum Schutz des Wettbewerbs verleiht, im Lichte der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit. Diese Entscheidung kann daher als Leitlinie für die einschlägige Praxis dienen. Sie ist zudem von Bedeutung, da sie impliziert, dass auch juristische Personen den Schutz des Gesetzes Nr. 6698 in Anspruch nehmen können und dass der Rat den dort festgelegten Verpflichtungen unterliegt.
Ein weiteres verfassungsmäßiges Recht, das im Zusammenhang mit Vor-Ort-Untersuchungen zu berücksichtigen ist, betrifft die Unverletzlichkeit der Wohnung, die in Artikel 21 der Verfassung geregelt ist. Dieser Artikel, der für das Betreten von Wohnungen eine richterliche Entscheidung voraussetzt, lautet wie folgt:
„Die Wohnung einer Person ist unverletzlich. Sofern keine richterliche Entscheidung aus einem oder mehreren der folgenden Gründe – nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung, Verhütung von Straftaten, Schutz der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Moral oder Schutz der Rechte und Freiheiten anderer – oder keine schriftliche Anordnung einer gesetzlich ermächtigten Behörde in Fällen, in denen Gefahr im Verzug ist, wiederum aus den vorgenannten Gründen, vorliegt, darf keine Wohnung betreten oder durchsucht und dürfen keine Gegenstände darin beschlagnahmt werden. Die Entscheidung der zuständigen Behörde ist innerhalb von vierundzwanzig Stunden dem zuständigen Richter zur Genehmigung vorzulegen. Der Richter hat innerhalb von achtundvierzig Stunden nach der Beschlagnahme seine Entscheidung bekannt zu geben; andernfalls wird die Beschlagnahme automatisch aufgehoben.“
Das Verfassungsgericht stellte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte („EGMR“) in seinen Entscheidungen fest, dass der Begriff der Wohnung auch auf Arbeitsstätten anwendbar ist. Demnach können das Büro, in dem eine Person ihren Beruf ausübt, der eingetragene Sitz, an dem ein Unternehmen tätig ist, sowie die eingetragenen Hauptsitze, Niederlassungen und sonstigen Betriebsstätten juristischer Personen ebenfalls als Wohnung betrachtet werden. Im Fall Niemitz gegen Deutschland entschied der EGMR, dass es mit dem Zweck des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention („EMRK“) vereinbar sei, die Begriffe „Privatleben“ und „Wohnung“ so auszulegen, dass sie auch berufliche oder gewerbliche Tätigkeiten oder Einrichtungen umfassen. In diesem Zusammenhang sei das Berufsleben ebenfalls als Teil des Privatlebens anzusehen, und eine Arbeitsstätte solle denselben Schutz genießen wie eine Wohnung (Antrag Nr. 137/1088, 16.12.1992). Ebenso stellte das Verfassungsgericht in seiner bekannten Entscheidung Ford Otosan fest, dass Vor-Ort-Untersuchungen unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Artikels 21 fallen und dass derartige Maßnahmen nur aufgrund einer richterlichen Entscheidung durchgeführt werden dürfen (Antrag Nr. 2019/40991, 23.03.2023). Das Gericht erkannte an, dass in Fällen, in denen Gefahr im Verzug ist, eine schriftliche Anordnung einer durch Gesetz ermächtigten Behörde zulässig sei, betonte jedoch, dass diese Entscheidung innerhalb von vierundzwanzig Stunden der Genehmigung eines Richters vorgelegt werden müsse. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass das antragstellende Unternehmen nicht versucht hatte, die Vor-Ort-Untersuchung zu behindern, und dass die ohne richterliche Entscheidung durchgeführte Untersuchung eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte darstellte. Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass die in Artikel 15 des Gesetzes Nr. 4054 vorgesehene Befugnis zur Durchführung von Vor-Ort-Untersuchungen gegen die in Artikel 21 der Verfassung gewährten Garantien verstößt. Es stellte fest, dass diese Verletzung auf die entsprechende gesetzliche Regelung zurückzuführen sei, und entschied folglich auf die Feststellung der Verletzung sowie auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens zur Beseitigung der hierdurch entstandenen Benachteiligung.
Obwohl es Entscheidungen des Verfassungsgerichts über Verletzungen verfassungsmäßiger Rechte im Zusammenhang mit Vor-Ort-Untersuchungen gibt, ist es nach wie vor gängige Praxis, solche Untersuchungen gemäß Artikel 15 des Gesetzes Nr. 4054 ohne richterliche Entscheidung durchzuführen. Diese Situation deutet darauf hin, dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichts in der Praxis möglicherweise nicht besonders wirksam sind.
Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit Vor-Ort-Untersuchungen berücksichtigt werden muss, ist das Anwaltsgeheimnis. Während der Vor-Ort-Untersuchungen können die Sachverständigen alle Arten von Daten einsehen, die in den physischen oder elektronischen Medien und Informationssystemen der Unternehmen gespeichert sind. Die Möglichkeit, dass sich darunter Daten befinden, die durch das Anwaltsgeheimnis geschützt sind, gibt Anlass zur Sorge. Das Anwaltsgeheimnis ist in Artikel 130 Absatz 2 der türkischen Strafprozessordnung Nr. 5271 („Gesetz Nr. 5271“) unter der Überschrift „Durchsuchung und Beschlagnahme in Anwaltskanzleien und Beschlagnahme von Postsendungen“ geregelt. Dort heißt es:
„Wenn der Rechtsanwalt, dessen Büro durchsucht wird, oder der Präsident der Rechtsanwaltskammer oder ein von ihm beauftragter Vertreter am Ende der Durchsuchung gegen die Beschlagnahme bestimmter Gegenstände Einspruch erhebt, mit der Begründung, dass diese Gegenstände im Zusammenhang mit der beruflichen Beziehung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten stehen, so sind diese Gegenstände in einem separaten Umschlag oder Paket zu versiegeln. In der Ermittlungsphase entscheidet hierüber der Ermittlungsrichter, in der Anklagephase der zuständige Richter oder das Gericht. Stellt der zuständige Richter fest, dass die beschlagnahmten Gegenstände unter das Anwaltsgeheimnis fallen, sind diese unverzüglich an den Anwalt zurückzugeben, und die angefertigten Protokolle sind zu vernichten. Die in diesem Absatz genannten Entscheidungen sind innerhalb von 24 Stunden zu treffen.“
Ebenso bestimmt Artikel 36 des Anwaltsgesetzes Nr. 1136: „Rechtsanwälte sind verpflichtet, Informationen, die ihnen anvertraut wurden oder die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit sowie als Mitglieder der Union der türkischen Rechtsanwaltskammern oder anderer Organe der Anwaltskammern erlangt haben, vertraulich zu behandeln.“
Da es jedoch eine gesetzliche Lücke in Bezug auf die Frage gibt, ob diese Vorschriften für Vor-Ort-Untersuchungen verbindlich sind, können die diesbezüglichen Entscheidungen des Wettbewerbsrats richtungsweisend sein.
In seiner Entscheidung Sanofi stellte der Wettbewerbsrat fest, dass bestimmte während der Vor-Ort-Untersuchung erlangte Dokumente als schriftliche Korrespondenz im Sinne des Anwaltsgeheimnisses anzusehen seien (09-16/374-88, 20.04.2009).
In dieser Entscheidung stellte der Wettbewerbsrat zunächst fest, dass es im türkischen Recht keine ausdrückliche Bestimmung gibt, die im Wettbewerbsrecht ein absolutes Anwaltsgeheimnis in Bezug auf Informationen und Dokumente vorsieht, die aus dem beruflichen Verhältnis zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten hervorgehen. Jedoch könnten allgemeine Rechtsgrundsätze sowie die Entscheidungen AM&S und Akzo in dieser Hinsicht richtungsweisend sein. Der Rat definierte daher zwei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Korrespondenz, die im Rahmen einer Vor-Ort-Untersuchung erlangt wurde, unter das Anwaltsgeheimnis fällt: (i) Die schriftliche Korrespondenz muss zwischen einem Mandanten und einem unabhängigen Anwalt (der keine berufliche Beziehung zum Mandanten unterhält) ausgetauscht worden sein, und (ii) die schriftliche Korrespondenz muss im Interesse des Mandanten liegen und im Zusammenhang mit dem Recht auf Verteidigung stehen.
In seiner Dow-Entscheidung wiederholte der Rat diese Voraussetzungen und betonte, dass bestimmte während der Vor-Ort-Untersuchung erlangte Dokumente als schriftliche Korrespondenz im Rahmen des Anwaltsgeheimnisses anzusehen seien (15-42/690-259, 02.12.2015).
Der Wettbewerbsrat befasste sich in seiner Enerjisa-Entscheidung ausführlicher mit dieser Thematik. Im Rahmen der mit Ratsbeschluss Nr. 16-39/656-M vom 16.11.2016 eingeleiteten Voruntersuchung prüfte der Rat die Informationsnotiz Nr. 2016-1-65/BN vom 30.11.2016, die sich mit dem Vorwurf befasste, dass bestimmte während der Vor-Ort-Untersuchung am 22.11.2016 erlangte Dokumente im Rahmen des Grundsatzes der Vertraulichkeit anwaltlicher Korrespondenz geschützt werden sollten. Infolgedessen erließ der Rat den Beschluss Nr. 16-42/686-314 vom 06.12.2016. In seiner Enerjisa-Entscheidung bestätigte der Rat seine in der Dow-Entscheidung dargelegte Auffassung hinsichtlich der beiden Voraussetzungen und betonte, dass Korrespondenz, die nicht unmittelbar mit dem Recht auf Verteidigung zusammenhängt oder darauf abzielt, einen Verstoß zu unterstützen oder einen bestehenden oder künftigen Verstoß zu verschleiern, keinen Schutz genießen kann – selbst wenn sie sich auf den Gegenstand der Voruntersuchung, Untersuchung oder Inspektion bezieht. Dementsprechend fällt die Stellungnahme eines unabhängigen Anwalts gegenüber seinem Mandanten, ob eine bestimmte Vereinbarung gegen das Gesetz Nr. 4054 verstößt, unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses, während Korrespondenz darüber, wie ein Unternehmen gegen das Gesetz Nr. 4054 verstoßen könnte, nicht geschützt ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vor-Ort-Untersuchungen gemäß Artikel 15 des Gesetzes Nr. 4054 zwar von wesentlicher Bedeutung für den Schutz und die Aufrechterhaltung eines wettbewerbsorientierten Marktes sind, dieses Verfahren jedoch gewisse Bedenken im Hinblick auf den Schutz von Rechten und Freiheiten aufwirft. Über diese Bedenken hinaus ist die Frage von entscheidender Bedeutung, da die Beurteilung, ob während einer Vor-Ort-Untersuchung gesammelte Beweise rechtmäßig oder rechtswidrig erlangt wurden, für Unternehmen sehr unterschiedliche Folgen haben kann. Auch wenn die Entscheidungen des Verfassungsgerichts eine wichtige Orientierung bei der Festlegung der rechtlichen Grenzen von Vor-Ort-Untersuchungen bieten, bestehen in der Praxis weiterhin bestimmte Lücken und Unklarheiten. In diesem Zusammenhang wäre es im Sinne des Rechtsstaatsprinzips der Rechtssicherheit angebracht, einen klaren und detaillierten rechtlichen Rahmen zu schaffen, um mögliche Rechtsverletzungen in der Praxis zu verhindern und die durch Unklarheiten verursachten Bedenken auszuräumen.
Dila Yıldırım, Rechtsanwältin












